Meine ganz persönliche Motivation am Wandern und den damit für mich verbundenen wohltuenden Waldaufenthalt, habe ich bereits vor kurzem in diesem Artikel beschrieben und mit allgemeinen psychologischen Aspekten in Verbindung gebracht. In diesem Beitrag möchte ich nun Erkenntnisse aus wissenschaftlichen Untersuchungen zu Waldaufenthalten vorstellen. Denn nicht nur meine persönlichen Erfahrungen, sondern auch die Wissenschaft zeigt eindrucksvoll, welchen positiven Effekt die Natur auf unsere psychische und physische Gesundheit hat.
Eintauschen in die Atmosphäre des Waldes – Japan als Vorreiter
Bereits 1982 prägte das japanische Ministerium für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei den Begriff des „Waldbadens“ (japan.: Shinrin-yoku). Dabei geht es darum, wieder mehr in Kontakt mit der Atmosphäre des Waldes zu kommen. In Japan ist Waldbaden sogar eine anerkannte Therapieform. Es wurde durch zahlreiche Studien wissenschaftlich begleitet und als therapeutische Gesundheitsmaßnahme anerkannt.
Zwei dieser Studien, die hier näher vorgestellt werden sollen, stammen von Bum Jin Park und Kollegen (2009) sowie von Qing Li (2009). In der Studie von Park und dessen Kollegen wurde vor allem die Reduktion von Stressfaktoren durch einen Waldaufenthalt untersucht. Li betrachtete den Effekt, den der Wald auf unser Immunsystem hat.
Links zu beiden Studien (in englischer Sprache) finden Sie am Ende dieses Artikels.
Reduktion von Stress und Senkung von psychischer Anspannung
In der Studie von Park und Kollegen wurden verschiedene Stressparameter bei Menschen verglichen, die sich entweder in der Stadt oder im Wald aufgehalten hatten. Zu diesen Parametern gehörten beispielsweise der Cortisolspiegel, die Pulsfrequenz und der Blutdruck. Zusätzlich führten die Teilnehmenden den POMS-Test („Profile of Mood States“ – dt. etwa „Profil der Stimmungslage“) aus. Dieser Test stellt eine Selbstbeurteilung von Stimmung und Befindlichkeit dar.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass bereits ein kurzer Waldaufenthalt von 15 Minuten zu einem signifikant niedrigeren Cortisolspiegel sowie zu einer geringeren Pulsfrequenz und einem niedrigeren Blutdruck führte – im Vergleich zu einem Aufenthalt in der Stadt. Darüber hinaus zeigte sich eine höhere Aktivität des parasympathischen Nervensystems und eine geringere Aktivität des sympathischen Nervensystems.
Hintergrund: Parasympathisches und sympathisches Nervensystem
Das parasympathische und das sympathische Nervensystem sind zwei Teile unseres vegetativen (auch: autonomen) Nervensystems. Dieses System arbeitet unwillkürlich, das heißt, wir können es nicht bewusst steuern – im Gegensatz zum somatischen Nervensystem, mit dem wir z. B. unsere Muskeln gezielt bewegen.
- Sympathisches Nervensystem: Wird vor allem bei Stress oder Gefahr aktiviert. Es versetzt den Körper in einen Alarmmodus, bekannt als „Kampf-oder-Flucht-Reaktion“. Puls und Blutdruck steigen, die Verdauung wird gehemmt, und der Körper mobilisiert Energie.
- Parasympathisches Nervensystem: Ist in Ruhephasen aktiv und sorgt für Entspannung, Regeneration und Energiespeicherung. Es unterstützt Konzentration und Erholung, senkt den Puls und fördert die Verdauung.
Im Wald sein ist gut für unsere Psyche
Die Auswertungen des POMS-Tests ergaben, dass der Aufenthalt im Wald die psychische Anspannung senkt. Gefühle wie Niedergeschlagenheit, Wut, Müdigkeit und Verwirrung waren deutlich weniger ausgeprägt als in städtischen Umgebungen. Gleichzeitig zeigte sich eine Steigerung der psychischen Vitalität.
Die Forschenden führten die Ergebnisse auf Umweltfaktoren wie Luftfeuchtigkeit und Licht im Wald zurück, die eine entspannende und vitalisierende Wirkung auf die Psyche haben.
Starkes Immunsystem dank Waldbesuch
In der Studie von Qing Li wurde die Aktivität und Anzahl sogenannter „natürlicher Killerzellen“ (NK-Zellen) im Blut untersucht. Diese spezialisierten Immunzellen bekämpfen virusinfizierte Zellen und Tumorzellen. Zusätzlich überprüfte die Studie die Konzentration von Adrenalin und Noradrenalin – beides Stresshormone – im Urin der Teilnehmenden. Neben kurzfristigen Effekten betrachtete Li auch die langfristigen Auswirkungen von Waldbesuchen.
Wichtige Ergebnisse der Studie:
- Die Anzahl und Aktivität von NK-Zellen war am Tag des Waldbesuchs signifikant höher als an einem normalen Arbeitstag der Teilnehmenden. Dieser Effekt hielt mindestens 7 Tage nach dem Waldaufenthalt an.
- Die Konzentration von Stresshormonen im Urin war nach dem Waldbesuch deutlich niedriger.
Bäume des Waldes als „Imunbooster“
Li identifizierte Phytonzide (z. B. Alpha-Pinen oder Limonen) als einen Schlüsselfaktor für die stärkere Immunabwehr. Diese Stoffwechselprodukte von Bäumen haben antimikrobielle Eigenschaften.
Frühere Untersuchungen an Mäusen zeigten, dass bestimmte Phytonzide eine Anti-Tumor-Wirksamkeit und eine stimulierende Wirkung auf das Immunsystem besitzen.
Li konnte diese Wirkung in seiner Untersuchung auch für den Menschen – nach dem Aufenthalt im Wald – nachweisen. Es zeigt sich, dass Phytonzide bei Menschen nicht nur antibakterielle Wirkungen entfalten, sondern auch einen stressreduzierenden Effekt haben, was die Stärkung des Immunsystems zusätzlich unterstützt.
Wenig Adrenalin und Noradrenalin ist gut fürs Immunsystem
Die Senkung der Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin durch den Waldaufenthalt trägt ebenfalls zur Stärkung des Immunsystems bei. Aus anderen Untersuchungen geht hervor, dass diese Hormone die Aktivität von NK-Zellen hemmen können. Insbesondere Adrenalin hat eine immunsuppressive Wirkung, die durch den Stressabbau im Wald allerdings gemildert wird. Somit zeigt sich: Weniger Stresshormone im Körper, bedeutet auch eine direkte Stärkung für das Immunsystem.
Persönliches Fazit: Ab in den Wald!
Wem es vorher noch nicht klar gewesen ist, dass ein Waldaufenthalt eine gute Sache ist, sollte spätestens nach diesen Untersuchungsergebnissen überzeugt sein. Ich finde es höchst faszinierend, welchen Effekt – auf so unterschiedliche Art und Weise – der Wald auf uns Menschen hat.
Am Ende möchte ich es jedem nur ans Herz legen, sich regelmäßig die Zeit zu nehmen und Zeit im Wald zu verbringen. Dabei ist gar nicht entscheidend, sich im Wald irgendwie zu verausgaben oder besonders lange Strecken zu überwinden. Entscheidend ist das bewusste, entspannte Eintauchen in die Atmosphäre des Waldes. Einfach die Natur genießen und die positiven Effekte auf Körper und Geist erleben.
Quellen
Die Ergebnisse der beiden Studien können unter folgenden Links eingesehen werden:
[1] The physiological effects of Shinrin-yoku (taking in the forest atmosphere or forest bathing): evidence from field experiments in 24 forests across Japan, Bum Jin Park et al., 2009
[2] Effect of forest bathing trips on human immune function, Qing Li, 2009